Als Herdentiere sind Menschen von Natur aus veranlagt, “gefallen zu wollen”. Sich akzeptiert zu fühlen und einer Gruppe anzugehören, sind für uns tiefsitzende Grundbedürfnisse. Anderen zu gefallen ist daher sozialpsychologisch in uns eingebaut, und spiegelt sich darin, wie wir Beziehungen aufbauen und pflegen. Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme sind wertvolle Eigenschaften an sich. Wenn man es jedoch übertreibt und das Bedürfnis, anderen zu gefallen, ungesund wird, nützt es niemandem mehr. Ungesundes “People pleasing” gefährdet die eigenen Grenzen zu wahren und ist oft unehrlich gegenüber der anderen Person und sich selbst.
Eigenschaften eines People Pleasers
Im Zusammenhang mit dem Berufsleben kann es zu Stress führen, immer zu versuchen, anderen zu gefallen. Die eigenen “realen” Gedanken und Erfahrungen bleiben ungehört. Im Extremfall kann es zu Burnout führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und Gefälligkeitstendenzen im Zaum zu halten, bevor sie zum Problem werden.
People Pleaser neigen im Allgemeinen dazu:
- die Wünsche und Bedürfnisse anderer leicht zu erkennen und zu reagieren
- eigene Bedürfnisse und Aufgaben zu ignorieren
- mehr Aufgaben zu übernehmen als sie bewältigen können
- ihre eigene Meinung unausgesprochen zu lassen und dem Beispiel anderer zu folgen
- selten nein zu sagen
- sich schuldig zu fühlen, wenn sie andere enttäuschen
- Konflikte oder andere Konfrontationen zu vermeiden
Die Zustimmung anderer wird konstant aufgesucht. Das äußert sich z.B darin, dass sie mit ihrem Zeitplan äußerst flexibel sind, die Aufgaben anderer Leute übernehmen und immer die hilfsbereiteste Person sind. Es belastet die Person jedoch oft sehr: „Warum habe ich es nicht geschafft, nein zu sagen?“
People pleasing als Methode des Selbstschutzes
Wenn ein People Pleaser die Wünsche anderer aufgreift, wird er sich in Bezug auf diese Gefühle positionieren. Diese Art des “sich Einstimmens” ist selbst für den People Pleaser stressig, da wir die Absichten anderer nie vollständig erkennen oder verstehen können. Fehler werden also passieren. Wenn die Wünsche des anderen nicht vollständig mit den eigenen Wünschen des People Pleaser übereinstimmen, wird er bzw. sie außerdem unweigerlich einen inneren Konflikt erleben: Man hat wieder einmal gegen das gehandelt, was man wirklich möchte.
Menschen zu gefallen ist eine Art, sich selbst zu schützen und Zurückweisung zu vermeiden. Diese Tendenz loszuwerden, erfordert Selbstverständnis und Bewusstsein für die eigenen Verhaltensmuster. Als Auntie Professional habe ich Gespräche mit vielen Mitarbeiter:innen mit diesen Tendenzen geführt. Ich habe gesehen, dass eine Veränderung nur dann möglich ist, wenn die Person den Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und dem resultierenden Stress versteht.
Ich empfehle über folgenden Punkte nachzudenken:
GRÜNDE – Warum möchtest du Menschen gefallen? Hast du das Gefühl, dass deine Jobposition bedroht ist, wenn du nicht zu allem Ja sagst oder Aufgaben übernimmst, auch solche, die eigentlich von jemand anderem erledigt werden sollten? Was macht dir an Konflikten so viel Angst?
GRENZEN – Wo liegen deine Grenzen? Hältst du inne und wirfst du einen ehrlichen Blick darauf, wo du deine eigenen Grenzen überschritten hast und wie es sich anfühlt? Wie könntest du Abhilfe schaffen? Fällt es dir schwer oder ist es unmöglich nein zu sagen? Versuchst du, das Nein-Sagen bewusst in Situationen zu üben, in denen es nötig ist?
TIMEOUT – Wenn du auf die nächste Aufgabe stößt, der du normalerweise ohne nachzudenken zugestimmt hättest, versuche dir zu sagen: „Einen Moment, ich melde mich bald bei dir“. Auf diese Weise kannst du dir Zeit nehmen, um über die Situation nachzudenken: Gehört diese Aufgabe eigentlich zu dir und hast du Zeit dafür?
Es ist wichtig zu lernen, die Gedanken und Gefühle zu erkennen, anstatt sich nur darauf zu konzentrieren, was andere denken oder fühlen. Dadurch kann man neue Grenzen ziehen. ‘Gesunde’ Grenzen können vor Burnout schützen.
Wie kann man dem also entgegenwirken?
Die Unterstützung durch eine:n Expert:in kann dabei helfen, zu erkennen, wie sich dieses Verhalten auf das Wohlbefinden auswirkt und woher es kommt und um Veränderungen zu ermöglichen.
Verständlicherweise geschieht dies nicht auf einmal, sondern erfordert Zeit und Übung. Manchmal kann es auch Gespräche mit einem Vorgesetzten oder einer Vorgesetzten erfordern, um Herausforderungen am Arbeitsplatz zu äußern. In einigen Fällen sollte die Jobbeschreibung und/oder -rolle der betreffenden Person angepasst werden. Oft gehen auch Overachieving und People pleasing am Arbeitsplatz Hand in Hand und werden von demselben Gedanken angetrieben: Wenn ich genug (oder mehr als genug) tue, werde ich gemocht.
Wenn man erkannt hat, dass man People pleasing betreibt, ist das eine sehr gute Möglichkeit in Zusammenarbeit mit z.B. einem Auntie Professional herauszufinden, was dahintersteht und wie man das eigene Profil und Selbstwert (wieder) aufbauen kann, um sich sicher und selbständig zu Themen zu positionieren. Es ist immer möglich sein eigenes Verhalten und Motivation zu reflektieren und neue Wege einzuschlagen 💛
Weiterführende Literatur zu diesem Thema:
Gino, F., Sezer, O., & Huang, L. (2020). To be or not to be your authentic self? Catering to others’ preferences hinders performance, Organizational Behavior and Human Decision Processes (158, 83–100).
Autor:in:
Freia Luminka
Freia Luminka (geb. 1979) ist Psychologin (MA Psychology) und freie Schriftstellerin. Sie verbrachte viel Zeit im Ausland, in verschiedenen Projekten und ehrenamtlichen Engagements. Von 2014 bis 2020 arbeitete sie als Expertin zur Prävention von Gewalt an der ‘Maria Akatemia’. Seitdem ist sie als Freiberuflerin und Online-Mentorin tätig. Freia faszinieren insbesondere die im Menschen versteckten Ressourcen und Intuitionen. Sie hat sowohl im persönlichen Gespräch als auch in Gruppen hunderten Klienten und Klientinnen geholfen, ihre eigenen Ressourcen und Stärken zu erkennen.